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Fakten

Der Diebstahl

Zeitungsmeldung (aus: Allgemeine Zeitung, Nr.52, Stadtlohn, 16. September 1886)

Stadtlohner Gnadenbild entwendet!

"Unserer Gemeinde ist in der vorigen Nacht von einem herben Verluste getroffen worden. Ruchlose Hände haben das Gnadenbild der Mutter Gottes geraubt. Zwei Frauen, welche in der Nähe der Kapelle auf dem Felde gearbeitet hatten und danach zu dieser selbst gegangen waren, um zu beten, haben heute morgen gegen 9 Uhr zufälligerweise den Raub entdeckt. Bei angestellter Untersuchung fand sich, dass die Diebe durch die in den Flügeln der Eingangstür befindlichen Öffnungen, welche gegen 40 cm breit und gegen 60 cm hoch sein mögen und weder mit einem Gitter noch überhaupt mit Scheiben versehen waren, eingedrungen sein müssen. Sie haben alsdann den Altar erstiegen, das leichte Gitterwerk, hinter welchem sich das Gnadenbild befand, zurückgebogen und dieses selbst mit seinem Kleiderschmucke fortgenommen und weggeschleppt. Ein Teil der Kopfbedeckung, sowie ein Knopf vom Zepter wurden auf dem Boden der Kapelle noch vorgefunden; auf dem Altar entdeckte man einige angebrannte Zündhölzer, deren sich die Eindringlinge offenbar bedient haben müssen, um Licht zu schaffen. Sonstige Spuren des Raubes fanden sich in oder bei einem nahe gelegenen Hirtenhäuschen, wohin die Frevler also gegangen zu sein scheinen, um ihre gottesschänderische Beute einer näheren Prüfung zu unterziehen. Auch die Radspuren eines kleinen Karrens, welche zur Hütte führte, will man mit dem Einbruch zusammenbringen, vielleicht indes ohne Grund. Im Übrigen hat man bis zu diesem Augenblicke - es ist Abend - Von den Thätern noch keine sichere Spur, ebenso wenig wie von dem Verbleib des Gnadenbildes selbst. Die Erregung in unserer Gemeinde ist begreiflicherweise groß und allgemein, nicht nur in Anbetracht der Frechheit und Schandbarkeit des Raubes an sich, sondern auch im Bewusstsein des großen und materiellen Schadens, welcher der Gemeinde Stadtlohn durch den endgültigen Verlust des wunderthätigen Bildes erwachsen würde. Durch öffentlichen Aufruf wurden heute morgen die Eigentümer Stadtlohns gebeten, noch im Laufe de Tages Äcker, Gärten , Wiesen usw. möglichst genau absuchen zu lassen; auch ist während des Nachmittages die nähere Umgebung der Kapelle von einer zahlreichen Einwohnerschar auf das sorgsamste durchstöbert worden, alles wie gesagt, bis jetzt ohne Erfolg. Über den Verbleib des Bildes und seine Räuber unter solchen Verhältnissen Vermutungen anzustellen, würde ins Weite führen. Auch enthalten wir uns einer Diskussion über die Motive des Frevels. Nach unserer Ansicht handelt es sich lediglich um einen aus Gewinnsucht begangenen Raub. Offenbar gedachten die Räuber, welche mit den Verhältnissen hier selbst bekannt gewesen sein müssen, bei dem Gnadenbilde, das in den vergangenen Tagen das Ziel zahlreicher Prozessionen gewesen ist, die bei solchen Gelegenheiten ausgehängten Schätze vorzufinden. Letztere waren indessen am Montag-Abend von dem Küster entfernt und nach Stadtlohn verbracht worden, wie dies bei solchen Festtagen immer geschieht. Gleichwohl wäre der Verlust der Kostbarkeiten, wenn man vom Sakrilegium absieht, noch der geringste Schaden, weil ersetzbar, gewesen; unersetzbar dagegen wäre der dauernde Verlust des Gnadenbildes selbst. Möge dieses doch baldigst zurückkehren und mögen die Frevler die gerechte Strafe ereilen! Neben der Entrüstung über den Gottesfrevel regt sich auch bereits die Frage nach einer ewaigen Verantwortlichkeit für das große Unglück; und da können wir denn nicht umhin, unser Bedauern darüber auszusprechen, dass die mannsbreiten, in Brusthöhe angebrachten Öffnungen in den Flügeln der Eingangsthüre über zwei Monate lang ohnen jeglichen Verschluss, selbst ohne den einer Fensterscheibe, bleiben konnten und so frevlerischen Gesellen zu der That des Gottesraubes geradezu einladen musste. Wenn etwas an dem ganzen Unglück zu verwundern ist, so ist es dieses, dass dasselbe unter den obwaltenden Umständen nicht schon eher eingetreten ist. "

"Wo sind die Beweisstücke bzw. Fundstücke (Teil der Kopfbedeckung, Knopf vom Zepter) verblieben?"
K.K.

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